Das Muster ist simpel: Ein Schwarzer junger Mann rastet an einem Flughafen aus. Mit dem Hinweis, das würde sich grade auf den Kanaren abspielen, wird das Video verbreitet. Viele Menschen glauben die Falschmeldung und teilen sie.
Das Video zeigt einen Mann, der am Flughafen-Schalter die Beherrschung verliert. Behauptungen in sozialen Netzwerken lauten dann, der Mann widersetze sich seiner Abschiebung. Ruckzuck kommentieren Menschen den Beitrag. Schlimmer noch: Viele von ihnen teilen ihn ungeprüft.
Auf diese Art und Weise wird derzeit Stimmung gegen Migranten gemacht. Doch die Wahrheit ist eine andere: Das Video stammt aus Chile. Und bisherigen Recherchen zufolge, war der Mann ein ganz normaler Reisender. Als er die Information bekam, er müsse für Übergepäck bezahlen, brennen ihm die Sicherungen durch. Mit Migration hat das Video nichts zu tun. Und es ist nicht die einzige Falschmeldung dieser Art.
Dekontextualisierte Videos hetzen gegen Kanaren-Migranten
Neben der bloßen Verbreitung von Falschmeldungen führt das Video zu einem weiteren Problem: Es wird behauptet, dass Medien das Video ignorieren, weil sie die Wahrheit unter Verschluss halten wollen. Zusätzlich zur Hetze gegen Migranten wird durch diese gezielte Dekontextuatisierung von Videos also auch Zweifel an den Medien gesät – eine typische Praktik bei dieser Art der Verwirrungsstiftung. Dabei nehmen Medien nur deshalb keinen Bezug auf solche Clips, da sie offensichtlich als falsch entlarvt wurden:
Aeropuerto de Tenerife, hoy a las 0700 horas… a que no ha salido en ninguna cadena de tv? Que raro🤔 pic.twitter.com/dI5LoVHiL5
— Santiago Carpena (@santiago130745) August 31, 2024
Ein ähnliches Video verbreitet sich ebenfalls bewusst mit der Behauptung falscher Tatsachen. Zu sehen sind darauf mehrere Schwarze Männer. Die Behauptung lautet, dass sie im Auffanglager Las Raíces wohnen und von dort aus losgezogen seien, um das Restaurant El Junquito in La Esperanza im Norden Teneriffas zu überfallen. In Wahrheit stammt der Clip jedoch aus Kenia. Eine Gruppe Demonstrierender protestiert gegen Steuererhöhungen und dringt dabei ins das nationale Parlament ein.
Ähnlich ist es mit einem Video, das junge Männer mit marokkanischer Flagge zeigt. Die Behauptung dazu: Sie würden in Las Palmas de Gran Canaria ein Einkaufszentrum stürmen. Das angeblich betroffene Shopping-Center dementierte zwar schnell, dennoch hält sich die Mär seither hartnäckig. In Wirklichkeit zeigt das Video Fußballfans, die am 6.12.2022 den Sieg ihrer Mannschaft im Spiel gegen Spanien (3:0 nach Elfmeterschießen) feiern.
Videos sorgen für Fremdenfeindlichkeit auf den Kanaren
Auch als Folge dessen, werden mehr Hassverbrechen registriert. Im vergangenen Jahr zählte das Innenministerium 84 Vorfälle dieser Art. In 35 davon wird eindeutig wegen fremdenfeindlicher Motive ermittelt, bei anderen ist dies zumindest ein mögliches Motiv.
Zu den am häufigsten geteilten Falschmeldungen zählt laut “Forum für die soziale Integration von Einwanderern” dabei, dass ein Viertel der spanischen Bevölkerung eine ausländische Staatsbürgerschaft habe, zahlreiche soziale Vorteile gegenüber Einheimischen genieße, Arbeitsplätze stehle und tendenziell gefährlich für die öffentliche Gesundheit sei.
Die Vereinigung sagt zu diesen Anschuldigungen, es handle sich um “Fehlinformationen, die negative Stereotypen über Migranten verstärken”, sowie zu “Hassreden und anderen intoleranten Verhaltensweisen führen, weshalb es wichtig ist, sie zu bekämpfen”.
So erkennen Sie Falschmeldungen im Internet
Zur Erkennung gezielter Desinformation im Netz rät beispielsweise die Landeszentrale für politische Bildung in NRW, zunächst die Quelle zu prüfen. Dazu zählt nicht nur das Logo einer Website oder eines Internetaccounts, sondern auch die dahinterliegende URL. Passen beide nicht zusammen oder gibt es eins von beidem gar nicht, handelt es sich sehr wahrscheinlich um Betrug oder eine Fehlinformation. Auch wenn beides zusammenpasst, sollte stets hinterfragt werden, was den Absendenden einer Nachricht zum Experten in genau diesem Themenbereich macht.
Zudem seien Faktenchecks sinnvoll. Nicht immer ist es möglich, sich selbst ein umfassendes Bild zu machen. Verschiedene Anbieter haben Faktenchecks im Portfolio. So werden das Recherchenetzwerk Correctiv, der ARD Faktenfinder oder der gemeinnützige Verein Mimikama als gute Anlaufpunkte angepriesen.
Und schließlich ist auch die Bilder-Rückwärtssuche von Google ein guter Hebel, um zu überprüfen, wann und wo ein Foto erschienen ist und wofür es verwendet wird. In vielen Fällen kann so recht schnell erkannt werden, ob ein Bild bereits älter ist als ein Internet-Beitrag glauben machen möchte.
Kommentare zu:
So wird mit falschen Videos gegen Kanaren-Migranten gehetzt
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