Es war eigentlich alles auf eitel Sonnenschein ausgerichtet: Der Standort, ein Grandhotel, direkt am Strand im Südwesten Teneriffas gelegen, präsentierte gastronomischen Fünf-Sterne-Komfort einschließlich fernöstlicher Thai Zen Space-Wellness. Mittags ging es auf Kraxeltour, eine Teilstrecke den 3715 Meter hohen (nicht 3718 Meter – alle Infos zu diesem Irrtum finden Sie hier) Vulkan Pico del Teide hinauf oder zur farbenprächtig kostümierten Karnevals-Königin nach Puerto de la Cruz. Am Abend betörten Saxophon-Klänge unter angestrahlten Palmen und sternklarem Himmel.
Doch über Tag zogen Schatten auf im Seminarraum des Tagungshotels auf Teneriffa. Dort stellten die großen der Reise-Branche ihr Sommerprogramm 2010 vor. Das geschah mit deutlichen Worten an den Gastgeber. Die Kanaren befänden sich im scharfen Wettbewerb mit anderen Zielgebieten, die eine vergleichbare Leistung zum Teil deutlich günstiger anbieten können, hieß es vor Presse und versammelter Insel-Prominenz. Die Hoteliers seien gefordert, konkurrenzfähige Produkte zu entwickeln. Starker Tobak im Dunstkreis einer Inselgruppe, auf der, nebenbei, Zigarren in der Qualität von guten Havannas gerollt werden.
Touristen bleiben aus
Der Hintergrund des Ärgers der großen Reiseveranstalter: Die Kanaren, viereinhalb Flugstunden von Deutschland entfernt auf der Höhe von Marokkos Süden im Atlantischen Ozean verteilt, haben massive Einbrüche im Tourismus hinnehmen müssen. Auf Teneriffa (5,2 Millionen Touristen im Jahr 2008, davon 1,6 Millionen Engländer und knapp 700.000 Deutsche) sank die Zahl der Übernachtungen in den ersten sieben Monaten des Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 11,5 Prozent.
113 Millionen Euro für den Ausbau
Fuerteventura hält sich mit einem hohen Anteil an deutschen Stammgästen (48,5 Prozent). Gran Canaria verzeichnet das schlechteste Tourismusjahr seiner Geschichte – minus 14,5 Prozent. Die Konkurrenz zu den Kanaren in den Katalogen der großen deutschen Reiseveranstalter sind Ägypten und die Türkei mit Niedrig-Offerten (Preisnachlässe für Türkei-Urlaube im Sommer 2010 bis zu zehn Prozent). Dagegen kommen nicht einmal Billig-Anbieter auf Gran Canaria an.
Die Folge: 82 Apartment-, Bungalow- und Hotelanlagen mit einfachen Standards befinden sich dort unmittelbar vor der Insolvenz, 18.400 Gästebetten werden voraussichtlich bis zum Jahresende wegfallen. Die wirtschaftlichen Auswirkungen zeigen sich beim genauen Hinschauen: Es gibt auf den Kanaren inzwischen Dörfer, in denen zahllose Häuser verkauft werden.
Mit Geld (113 Millionen Euro bis zum Jahr 2013 für 95 Projekte, darunter der Ausbau von Strandpromenaden) und guten Worten (Betonung von Naturparks) will Teneriffa nun wieder Anreize schaffen. Die deutschen Reiseveranstalter setzen im nächsten Sommer auf finanzielle Verlockungen. Ob die Günstig-Angebote von langfristigem Erfolg gekrönt sind, wird die nächste Saison zeigen.
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Drohende Leere auf den Kanaren
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