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Spaniens Untätigkeit provoziert Angst und einen Rechtsruck auf den Kanaren


Die Kanarischen Inseln sehen sich mit zunehmenden Migranten-Ankünften allein gelassen. Die Regierung in Madrid zögert statt zu helfen. Die Untätigkeit könnte ernsthafte Konsequenzen nach sich ziehen.

Von Johannes Bornewasser Lesedauer: 3 Minuten

Seit Freitag läuft eine große Umsiedlungsaktion von rund 400 Migranten auf Gran Canaria. Der Präsident der Kanarischen Inseln, Ángel Víctor Torres, machte sich vor Ort ein Bild der Lage. Genau das erwarten die regionalen Politiker auch vom Migrationsminister aus Madrid. Doch der sagte seinen Besuch kurzfristig ab. Die Kanaren fühlen sich allein gelassen.

José Luis Escrivá ist Minister für Inklusion, soziale Sicherheit und Migration im Kabinett von Regierungschef Pedro Sánchez. Was derzeit auf den Kanarischen Inseln geschieht, ist zentraler Bestandteil der Aufgaben des Ökonom. Genauso wie Repräsentationstermine. Beides wäre auf Gran Canaria dringend nötig. Und entsprechend hatte sich Escrivá auf der Kanaren-Insel angekündigt. Erschienen ist er jedoch nicht.

Video: Schon während des Lockdowns erreichten mehrere Hundert Migranten die Kanaren:

Sonntagnachmittag kam erneut ein Boot an. Diesmal waren drei Migranten an Bord. Gegen 18.30 Uhr wurden die Hilfesuchenden zum Arguineguín-Pier gebracht. Es ist ein Vorgehen, das längst Routine geworden ist. Denn dort warten bereits Hunderte weitere Migranten.

Allein am Wochenende sollten rund 200 von ihnen umgesiedelt werden, um die provisorischen Lager am Hafen zu entlasten. Denn während am Freitag die Umsiedlung startete, erreichten schon am Samstag 57 weitere Personen die Insel. Zusammen mit der kleinen Patera von Sonntag rückten also bereits 60 Neuankömmlinge nach.

Frust auf den Kanaren: Migrationsminister sagt Besuch kurzfristig ab

Seit Anfang des Jahres hat die Zahl der Boote wieder zugenommen. Die Regierung der Kanarischen Inseln richtete immer wieder Hilfsersuchen nach Madrid. Doch wirkliche Unterstützung kam bisher nicht an. Als dann endlich der Besuch des Migrationsministers angekündigt wurde, machte sich vorsichtige Erleichterung breit. Immerhin werde man endlich gehört, lautete der Tenor.

Doch die Freude kam zu früh. Denn kurz vor dem Besuch des Ministers am 9. September folgte die Absage. Er werde auf die Kanarischen Inseln reisen, um sich vor Ort aus erster Hand ein Bild der Situation zu machen, sobald sein Zeitplan dies zulasse, ließ Escrivá mitteilen.

Die Enttäuschung war groß. Doch Torres reagierte staatsmännisch. Der Kanaren-Präsident sprach von “tiefem Unwohlsein”. Zu groß ist die Sorge, die zaghafte Handreichung aus Madrid zu gefährden. Deutlicher wurde daher ein anderer: “Er war nicht in der Lage, eine humanitäre Antwort zu geben, und jetzt sagt er, dass er kommen wird, wenn er Zeit hat. Das ist völlig inakzeptabel”, sagte der Abgeordnete der Partei Nueva Canarias im Kongress, Pedro Quevedo.

Torres probiert es unterdessen weiter diplomatisch. Der Politiker rief die Vizepräsidentin der Regierung, Carmen Calvo, zur Hilfe auf. Die “Unhöflichkeit” des Ministers belaste das Verhältnis zwischen den Kanaren und Madrid zusätzlich, hieß es. Und während der Disput zwischen regionaler und zentraler Regierung schwelt, warten Hunderte Migranten und Tausende Anwohner auf eine Lösung.

Einwanderung auf die Kanaren: Spaniens gefährliche Untätigkeit

Auf Fuerteventura droht dieses Abwarten bereits in Frust umzuschlagen. Denn dort wurden zuletzt Migranten in Hotels umgesiedelt. Aufgrund der Corona-Situation stehen diese ohnehin leer. Doch die Tourismus-Branche sorgt sich um das Image der Insel. Bei einem Treffen zwischen Tourismusvertretern und lokaler Politik wurden Sorgen ausgetauscht und Situationsanalysen durchgeführt. Ein echtes Ergebnis steht jedoch aus.

Genau das bereitet der regionalen Regierung Unbehagen. Das Zögern aus Madrid sorgt für Auswüchse verschiedenster Art. Die ungewohnte Schärfe, mit der Anfang August in Tunte auf Gran Canaria gegen die Verlegung mehrerer Migranten vorgegangen wurde, war bereits ein erster Vorbote dessen, was den Kanaren droht, wenn Spanien keine Lösung für die zunehmende Einwanderung findet.

Die Proteste von Tunte hatten in ihrer Schärfe für Verwunderung gesorgt. Aus Madrid mögen sie wie ein Strohfeuer im Hinterland einer der Inseln abgetan worden sein. Doch Torres’ “Unwohlsein” dürfte in mehr als nur der Absage des Migrationsministers begründet sein. Beispielsweise in der Aussicht auf durch politische Untätigkeit provozierte Fremdenfeindlichkeit auf dem Archipel.

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Johannes Bornewasser ist Herausgeber von Teneriffa News. Er hat zudem die redaktionelle Verantwortung inne. Zu seinem Autorenprofil geht es hier.

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