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Meinung: Tote Kühe an Teneriffas Stränden? Sind wir selbst schuld!


Von Johannes Bornewasser Lesedauer: 5 Minuten

Man muss kein Vegetarier oder militanter Tierschützer sein, um das, was vor den Kanaren passiert ist, grausam zu finden: Erneut sorgt ein Tiertransporter für Schlagzeilen. Der Aufschrei ist groß. Doch eher, weil die Kadaver die schönen Strände verschandeln. Unser Autor meint: Das Leid der Tiere rückt ein Stück zu weit in den Hintergrund.

Nein, ich bin kein Vegetarier. Ich bin auch kein militanter Tierschützer. Ich bin einfach nur ein denkender Mensch. Und das, was an den Stränden Teneriffas passiert, sollte uns genau zu einem solchen Nachdenken bringen. Ein paar Fragen, die es sich zu stellen lohnt:

Was ist denn überhaupt passiert? Es wurden tote Kühe auf Teneriffa an den Strand gespült. Da liegt es nah, zu schauen, welche Viehtransporter zuletzt an den Kanarischen Inseln vorbeigefahren sind. Und tatsächlich: Es gab in jüngerer Zeit einen solchen Transport. Sehr wahrscheinlich sind die Tiere also auf hoher See verendet und – trotz strenger Verbote – von der Crew über Bord geworfen worden.

Was passierte dann? Dann kam es, wie es im Internet immer öfter kommt: Die erste Meldung berichtet noch von “toten Kühen am Strand”. Wenig später verändert sich die Schlagzeile dann zu “seltsamen” oder “skurrilen Funden”, bevor über “grausame Funde am Strand” und den “Schock im Urlaubsparadies” schließlich vom ultimativen “Horror-Fund” geschrieben wird. Es ist die inzwischen schon ganz normale Evolution einer Negativ-Meldung im Internet.

Okay, aber was sagen denn die Fakten? Ganz beiläufig wird aus der Vermutung, dass ein Tiertransport verantwortlich sei, ein Fakt vermittelt. Natürlich ist es eher unwahrscheinlich, dass die Kühe zum gemeinsamen Schwimmen aufgebrochen waren und ertrunken sind. Natürlich ist es sehr wahrscheinlich, dass besagter Tiertransporter verantwortlich ist. Doch ist es nicht Aufgabe der Justiz, aus einer Vermutung über Beweise schließlich Fakten zu schaffen?

Warum überhaupt Viehtransporter auf dem Meer? Diese Frage geht in der Diskussion komplett unter. Ja, Sie haben richtig gelesen: Vieh-Transporter gibt es auch auf dem Meer. Sie sind Realität. Und die Bedingungen müssen furchtbar sein. Halt! Das ist doch jetzt eine Behauptung, sagen aufmerksame Leser des vorigen Absatzes. Und sie haben recht! Ich war noch nie an Bord eines solchen Schiffes. Ich verweise an dieser Stelle auf die beiden folgenden, im übrigen bestätigten Meldungen:


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Meldung 1: Viehtransporter, in der Evolution einer Internet-Meldung könnten sie auch Schlacht-Schiffe heißen, das klingt gleich viel quotenbringender, legen regelmäßig auf den Kanarischen Inseln an. Mal muss getankt werden, mal geht das Futter aus. So zum Beispiel im Jahr 2016. Veterinäre auf Teneriffa fragten sich daraufhin, wie letzteres nach der langjährigen Erfahrung der Betreiber überhaupt passieren konnte. Und als sie testweise an Bord gingen, waren die Bedingungen so miserabel, dass 300 Tiere notgeschlachtet werden mussten. Noch einmal verdeutlicht: Es ging den Tieren aufgrund der Transportbedingungen so schlecht, dass Veterinäre den Tod als einzigen Ausweg sahen.

Und zweitens: Immer dann, wenn ein Viehtransportschiff vor den Kanaren anlegt, gehen bei den Behörden Beschwerden über den entsetzlichen Gestank ein. Noch weit stadteinwärts ist der Geruch nach Exkrementen zu riechen. Schlecht für den Umsatz der Promenaden-Bars, unschön für den Urlauber, der bei Meerblick das Hotelzimmer lüften oder seinen Balkon genießen möchte. Ach ja: Und natürlich auch irgendwie blöd für die Tiere an Bord, klar!

Wer ist denn dafür verantwortlich? Die Antwort ist fast schon zu einfach. Sie lautet: Der Konsument! Natürlich nicht für die konkrete Straftat. Die muss nämlich erst einmal bewiesen werden. Und dann geht es den handelnden Personen an den Kragen. Wobei auch die oft nur Befehlsempfänger innerhalb einer Organisation sind. Doch getrieben werden sie vom Konsumverhalten an der Fleischtheke. Wer es für ein gutes Angebot hält, dass eine Hähnchenkeule im Discounter-Sonderangebot 29 Cent kostet, oder 100 Gramm Hackfleisch 36 Cent, der verschließt die Augen bewusst vor dem wahren Problem. Die Nachfrage bestimmt in der Marktwirtschaft seit Jahrhunderten das Angebot. Wenn Billig-Fleisch nicht mehr gekauft würde, müsste es auch nicht mehr in Massen produziert werden. Und ganz nebenbei könnten so auch die Lebensmittelskandale von Gammelfleisch bis Pferdelasagne minimiert werden.

Und nun? Was kann ich denn daraus lernen? Wie eingangs geschrieben: Ich bin kein militanter Vegetarier. Ich mag Fleisch. Und doch ändere ich etwas. Es muss nämlich nicht sein, dass Tiere für mein abendliches Steak über Tage, sogar Wochen auf dem offenen Meer unter laut Veterinären kaum haltbaren Bedingungen umhergeschifft werden, bevor es dann nochmal auf einem LKW ins Schlachthaus geht. Auch die Metzgerei von nebenan bietet tolle Produkte – oft nach kurzen Transporten direkt aus der Region. Die sind dann etwas, oft auch viel teurer. Und genau da beginnt das Umdenken. Wenn ich mir Fleisch nicht mehr jeden Tag – zumindest aber nicht komplett bedenkenlos – leisten kann, hat es wieder den Wert, den schon die Generationen vor uns darin sahen.

Und was hab’ ich davon? Kaufen Sie Fleisch künftig nicht mehr preis- sondern qualitätsgetrieben. Damit tun sie sich selbst ganz nebenbei etwas Gutes: Denn oft sind die Tiere neben dem Stress auch Medizin-Cocktails ausgesetzt, damit auf den langen Transporten keine oder wenigstens weniger Seuchen ausbrechen. Und genau diese Medikamente landen über das Fleisch auch in Ihrem Magen. Es gibt Studien, die zu dem Schluss kommen, dass steigende Antibiotika-Resistenzen der Menschen auch mit der Aufnahme behandelten Fleisches in Verbindung stehen kann. Und wer schon einmal Probleme innerhalb einer schwierigen medizinischen Behandlung hatte, findet einen solchen Ansatz plötzlich gar nicht mehr so weit hergeholt.

Ich bin nur ein Einzelner Konsument. Was kann ich schon tun? Wie oft haben sie sich schon in einer langen Schlange an der Kasse gelangweilt? Immer dann zeigt sich, wie viele Einzelne es im Supermarkt wirklich gibt. Wenn die 15 Menschen vor Ihnen auch etwas ändern, wird aus diesem Einzelnen plötzlich eine relevante Gruppe. Eine solche relevante Gruppe beispielsweise kauft aus Überzeugung bei einem Bauern in der Eifel. Dieser gibt seinen Tieren keine Pro-Forma-Antibiotika. Muss er aufgrund der üppigen Stallungen und der weitläufigen Weiden auch nicht. Und er bringt seine Tiere im eigenen Anhänger zum Schlachthof. Dabei hat er ein volles Glas Wasser in der Mittelkonsole seines Wagens stehen. Wenn es nicht überschwappt, waren die Tiere auf ihrer letzten Reise stressfrei unterwegs. Dieses Fleisch ist vergleichsweise teuer. Deshalb gibt es im Gegensatz dazu die Viehtransportschiffe. Womit wir bei der letzten Frage für heute wären: Welche Art Tier-Transport werden Sie mit ihrem nächsten Einkauf aktiv mitfinanzieren?


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Johannes Bornewasser ist Herausgeber von Teneriffa News. Er hat zudem die redaktionelle Verantwortung inne. Zu seinem Autorenprofil geht es hier.

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