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Virus-Fahnder auf den Kanaren: Das bittere Scheitern an der fünften Welle


Ganze Fahnder-Trupps sollen Corona-Ausbrüche aufspüren und eindämmen. Die fünfte Welle lässt ihre Arbeit sinnlos erscheinen. Doch das ist sie nicht. Ein Blick in den Alltag der Kontaktverfolgung.

Von Johannes Bornewasser Lesedauer: 4 Minuten

Der Raum ist riesig und wirkt steril. Messehallen ohne perfekt designte Stände vermitteln eine ungeahnte Tristesse. In langen Reihen sitzen sie hier hinter- und nebeneinander an Schreibtischen mit mehreren Bildschirmen, getrennt durch provisorische Wände. Die konzentrierte Stimmung wird hin und wieder von einem Telefonat durchbrochen. Doch inzwischen schreckt das die Kolleginnen und Kollegen längst nicht mehr auf. Auf dem Messegelände von Teneriffa werden die Kontakte der Corona-Fälle nachverfolgt. Doch aufgrund der fünften Welle ist es ein Kampf gegen Windmühlen geworden.

Das Bild des Don Quijote wird heutzutage schnell herangezogen, um die Sinnlosigkeit einer Arbeit zu unterstreichen. Das ist sie im Fall der Kontaktverfolgung auf den Kanarischen Inseln keinesfalls. Im Gegenteil: Jede erfolgreiche hergestellte Spur hilft dabei, die Ausbreitung des Virus ein kleines Stück weiter einzudämmen. Lediglich die schiere Masse überfordert – und erinnert dadurch an den Protagonisten aus Miguel de Cervantes’ Roman.

Die Mitarbeitenden auf dem Messegelände in Santa Cruz kämpfen gegen den mit Abstand schlimmsten Monat seit Ausbruch der Pandemie an. Ende Juni lag die Zahl der gleichzeitig Betroffenen bei rund 3100. Für diese Größenordnung war auch die Kontaktverfolgung ausgelegt. Im Juli traf die Kanarischen Inseln dann jedoch die fünfte Welle hart. Innerhalb eines Monats stieg die Zahl der gleichzeitig aktiven Fälle auf rund 14.000.

Teneriffa hat die schlechteste Quote

Von einem entspannten Schreibtisch-Job sind die Mitarbeitenden entsprechend sehr weit entfernt. Das zeigt auch ein Blick auf die Quoten. Konnten im Februar noch 87 Prozent aller Fälle zurückverfolgt werden, sind es inzwischen nur noch 47.

Auf Teneriffa liegt sie nochmals deutlich darunter. Dort werden inzwischen nur noch 34 Prozent der Fälle nach einem neuen Ausbruch aufgearbeitet. Zum Vergleich: Auf Gran Canaria sind es rund 60 Prozent.

Der Grund für die geringere Rate liegt in der schieren Masse begründet: Teneriffa allein trägt deutlich mehr als die Hälfte aller Fälle bei. Und so ist die auf den ersten Blick geringe Quote bei genauerem Hinsehen fast schon wieder als Erfolg zu werten.


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Delta überfordert Fahnder auf den Kanaren

Als Grund wird von allen Verantwortlichen immer wieder die Delta-Variante angegeben. Der Stamm gilt als deutlich ansteckender. Auf der Nachbarinsel hat sich das Gesundheitsmanagement ebenfalls viel mit der Veränderung beschäftigt. Miguel Díaz Barreiros sagt: “Die durchschnittliche Zahl der engen Kontakte ist sprunghaft angestiegen. Früher lag sie pro positiv Getestetem bei drei bis vier. Heute sind es etwa zehn.”

Der Experte erklärt weiter: “Das bedeutet, dass es Positivmeldungen mit 20 oder 30 Kontakten gibt und andere mit drei oder vier. Der Druck auf die Rückverfolgung ist extrem hoch. Wenn es an einem Tag 400 bestätigte Fälle gibt, bedeutet das, dass wir etwa 4000 Personen aufspüren müssen. Das ist ein logistisches Problem – schon allein aufgrund der Testkapazitäten und der Überlastung des Gesundheitssystems”, sagt Díaz Barreiros.

Teneriffa und Gran Canaria: Kontaktverfolgung arbeitet am Anschlag

Schon jetzt seien die Mitarbeitenden entsprechend am Anschlag, doch “wenn die Inzidenz weiter ansteigt, wird es schwierig sein, sie auf diesem Stand zu halten”, gesteht der Facharzt für Familien- und Gemeinschaftsmedizin.

Um die Effizienz zu erhöhen, arbeiten die Kolleginnen und Kollegen auf Teneriffa inzwischen mit einem SMS-Versandsystem. So sollen insbesondere enge Kontakte schneller erreicht werden. In den Nachrichten werden die Betroffenen aufgefordert, umgehend ihre jeweils engsten Kontakte zu informieren, sagt Aarón Plasencia. Der Leiter des Tracking-Teams auf Teneriffa spricht in dem Zusammenhang viel von Eigenverantwortung.

Ob eine SMS genauso verbindlich ist wie ein persönliches Gespräch, muss erst noch in Erfahrung gebracht werden. Ob der schieren Masse an täglichen Fällen sei dieser Weg jedoch alternativlos und allemal besser als nichts. Und: “Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir nicht mehr tun können. Wer die Anweisungen nicht befolgen möchte, wird es ohnehin nicht tun”, sagt Plasencia. Es liegt keine Resignation in dieser Aussage – eher die nüchterne Einschätzung eines durch die Extremsituation zur Rationalität verdonnerten Teamleiters.

Die Eigenverantwortung kann also punktuell zum Problem werden. Denn während sich einige übervorsichtig an die Pläne halten, nehmen andere den Kontakt zu Positiven nicht sonderlich ernst. Und eine elektronische Aufforderung wird kaum mehr Verbindlichkeit schaffen. Auch das ist ein Baustein, der die Arbeit der Fahnder an manchen Tagen an Don Quijote erinnert. Und doch sitzen sie weiter konzentriert in der sterilen Atmosphäre einer ansonsten leeren Messehalle vor ihren Bildschirmen und gehen konzentriert ihrer täglichen Arbeit nach.

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Johannes Bornewasser ist Herausgeber von Teneriffa News. Er hat zudem die redaktionelle Verantwortung inne. Zu seinem Autorenprofil geht es hier.

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