Das Jahr 2020 endete als das mit den höchsten Zuwanderer-Zahlen nach der als “Cayuco-Krise” in die Geschichte der Kanarischen Inseln eingegangenen Zeit im Jahr 2006. Jetzt, 15 Jahre später, liegen die Zahlen bis Ende August um 136 Prozent oberhalb denen des Vorjahres. Und noch immer beklagt die regionale Politik ausbleibende Hilfe aus Madrid.
Im Vorjahr kamen viele der Migranten in den Herbst- und Wintermonaten an. Ob zu Ende dieses Jahres also wirklich mehr Migranten auf die Kanarischen Inseln gekommen sein werden, bleibt abzuwarten. Dessen ungeachtet steht seit 2019 ein deutlicher Anstieg bei den Ankünften. Und damit sehen sich immer mehr Politiker auf den Kanarischen Inseln allein gelassen.
Als zuletzt die Zahl von mindestens 150 auf hoher See verstorbenen Migranten innerhalb eines Monats bekanntgegeben wurde, darunter auch Kinder, reichte es mehreren Parteien. Sie forderten die Zentralregierung in Madrid dazu auf, endlich Hilfe zu leisten (mehr dazu hier).
Die PP erneuerte diese Forderung nun – verknüpft mit einer weiteren: Es sei “eine ernsthafte und sofortige Reaktion” nötig. Und diese müsse unter Abhaltung eines Treffens zwischen der kanarischen Regierung und der Zentralregierung Spaniens initiiert werden.
Der Vertreter der konservativen Volkspartei für Gran Canaria, Sergio Ramos, sagte jüngst: “Jeden Tag sterben Menschen an Hunger und Durst in den Booten. Oder sie ertrinken.”
PP-Vertreter: “Wir als Gesellschaft dürfen das nicht zulassen”
Dann wandte er das Wort direkt an die Politik in Madrid: “Die Regierung tut so, als wäre nichts passiert. In diesem Land gibt es für alles eine Schweigeminute. Aber wenn sieben tote Mädchen in einem Boot entdeckt werden und das nicht groß in den Nachrichten erscheint, ist es eine dramatische Situation, die wir als Gesellschaft nicht weiter zulassen dürfen.”
Ramos forderte in diesem Zuge die Regierung der Kanarischen Inseln dazu auf, Madrid in die Pflicht zu nehmen. Es müsse ein Gipfel zur Einwanderung abgehalten werden, “der sich auf die Inseln konzentriert und als Forum dient, das Migrationsphänomen ernsthafter anzugehen”.
Kritik auch an Kanaren-Präsident Torres
Dass der Präsident der Kanarischen Inseln dies bisher nicht getan habe, überrasche ihn, sagte Ramos weiter. Auch Australia Navarro von der PP war Ángel Víctor Torres zuletzt angegangen und hatte ihm “Untätigkeit” vorgeworfen.
Fernando Clavijo von der CC sagte, es sei “unverschämt”, dass unterschiedlich mit Flüchtlingen aus Ceuta auf das Festland und aus Westafrika auf die Kanarischen Inseln umgegangen werde. Für die spanische Regierung seien die Migranten auf den Kanaren offenbar “nur Zahlen, reine Statistiken und nicht mehr”.
Auch Clavijo kritisierte den kanarischen Präsidenten. Er habe sich “auf ein Nicken beschränkt”, als die Ministerin für soziale Rechte, Ione Belarra, die Inseln besuchte. Diese habe die Situation der minderjährigen Einwanderer zwar als kompliziert anerkannt, “ohne aber einen konkreten Beitrag zur Lösung zu leisten”, sagte Clavijo weiter.
Kanarische Linke wirft Spaniens Regierung “Desinteresse” vor
Auch von der linksorientierten Partei ASG kommt nun Kritik auf. Der Senator der ASG für La Gomera, Fabián Chinea, unterstellte dem spanischen Minister für Migration und soziale Sicherheit, José Luis Escrivá, gar “Desinteresse”.
Er würde “die kanarische Migrationskrise nicht mit Strenge und Verantwortung bewältigen” wollen. Er habe im Gegenteil “den ganzen Monat August lang geschwiegen” und es habe “kein Wort des Bedauerns über den Tod von Hunderten von Menschen auf ihrer Flucht auf die Kanarischen Inseln” gegeben. “Wir verstehen das Schweigen der spanischen Regierung nicht.”, sagte Chinea abschließend.
Unterdessen hat die Seenotrettung zuletzt erneut 40 Migranten aus einem Boot gerettet. Es war knapp 17 Kilometer südwestlich von Gran Canaria entdeckt worden. Das Rettungsschiff Salvamar Macondo konnte diesmal alle Insassen gesund in den Hafen von Arguineguín bringen.
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Migration auf die Kanaren: Regionale Politik wirft Spanien “Desinteresse” vor
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