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Wohnungsnot auf den Kanaren steigt rasant – das sagen Experten


Hohe Mieten, zu geringe Gehälter und Wohnungsnot sind akute strukturelle Probleme auf den Kanarischen Inseln. Immer mehr Anwohner haben Schwierigkeiten, menschenwürdig zu leben. Ein politisches Umdenken ist nötig, Konsequenz aber nicht absehbar.

Von Johannes Bornewasser Lesedauer: 3 Minuten

Die Schlagzeile liest sich bestens: “Die Kanarischen Inseln starten das Leerwohnungsprogramm, um mehr als 700 Häuser auf den Mietmarkt zu bringen”, steht auf der Homepage der Regierung der Kanarischen Inseln geschrieben. Und tatsächlich ist das eine gute Nachricht. Es ist ein erster Schritt. Zur Wahrheit gehört allerdings weit mehr.

Die Kanarischen Inseln haben ein grundlegendes Struktur-Problem: Hohe Mieten bei geringer Kaufkraft, die Vergabe von immer mehr Wohnraum an Touristen-Plattformen wie Airbnb und kaum Sozialwohnungen sorgen für eine rasante Zuspitzung der Lage. Denn auch auf den Kanaren steigen die Preise für den täglichen Bedarf deutlich.

Mehr als 30 Prozent des Einkommens wird von den meisten Anwohnern inzwischen direkt in die Miete gesteckt. Ein eigenes Haus können sie sich oft nicht leisten – auch, da die Banken keine ausreichenden Sicherheiten sehen.

Kanaren: Junge Erwachsene stecken ihr komplettes Gehalt in die Miete

Im Register der Antragsteller für sozialen Wohnraum auf den Kanaren befinden sich inzwischen 18.000 Menschen. Die meisten Antragstellenden sind alleinerziehend, oft Frauen mit unterhaltsberechtigtem Kind. Ebenso sind einige Einwanderer, vor allem aber junge Menschen zwischen 16 und 29 Jahren darunter.

Und grade junge Erwachsene müssen durchschnittlich knapp 93 Prozent ihres Nettogehalts für die Miete aufbringen. Ohne Unterstützung der Eltern können sie also nicht ausziehen. Einige von ihnen ziehen sogar wieder zurück.

Gentrifizierung auf den Kanaren schreitet voran

Und auch eine weitere Zahl liest sich erschreckend: Laut Erhebung des Immobilienportals Fotocasa sind die Mieten in den vergangenen fünf Jahren um 49 Prozent gestiegen. Die Löhne sind es nicht. Durch die schwierige Situation der vergangenen beiden Jahre sind sogar einige Existenzen zerstört worden.


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Zu allem kommt ein Gentrifizierungseffekt, da immer mehr Wohnraum in bisherigen Wohngebieten zu Ferienwohnungen umgewandelt wurde. Für Vermieter ist das oft lukrativer.

Experten werfen der Politik mangelnden Willen vor, den verfassungsmäßig zugesicherten Zugang zu menschenwürdigem Wohnraum sicherzustellen. Die Politik wiederum versucht, mit Maßnahmen wie den 700 Wohnungen zu “erschwinglichen” Preisen gegenzusteuern.

Der Minister für öffentliche Arbeiten, Verkehr und Wohnungswesen, Sebastián Franquis, spricht von “einer wichtigen Gruppe in unserer Gemeinschaft, die trotz Einkommen Schwierigkeiten hat, bezahlbare Mieten zu finden”, wenn er junge Familien mit kanarischem Durchschnittseinkommen meint. Für sie sei das Wohnungsprogramm gedacht. Den 700 Wohnungen stehen allerdings die 18.000 Antragstellenden gegenüber, die aktuell auf der Suche nach bezahlbarem Wohnraum sind. Es ist ein enormes Ungleichgewicht.

La Oliva auf Fuerteventura zeigt das ganze Ausmaß von Wohnungsnot und Gentrifizierung

Wie sich all das im Alltag auswirkt, zeigt das Beispiel La Oliva. Die Gemeinde auf Fuerteventura verzeichnet knapp ein Viertel Touristenwohnungen. Der übrige Wohnraum ist entsprechend teuer geworden. Die Arbeitslosenquote liegt bei 22 Prozent und vier von zehn Arbeitenden haben lediglich Saisonverträge. Die Zahl der subventionierten Wohnungen müsste entsprechend hoch sein. Sie lautet: 43.

Der Direktor der sozialen Wohnungsbaugemeinschaft Visocan sagt, dass Wohnen “bisher keine Priorität” gehabt hätte. Víctor Gonzalez erklärt: “In den Standards des Wohlfahrtsstaates war immer die Rede von Bildung, von Gesundheit. Aber dem Wohnen wurde nie Bedeutung beigemessen.”

Zumindest indirekt schwingt ein kleinwenig Hoffnung mit: “Wir dürfen nicht zulassen, dass mit Sozialwohnungen Geschäfte gemacht werden. Zumindest historisch betrachtet war das der Fall.” Und die aktuelle Entwicklung zeigt nun die Konsequenzen dessen.

Eine Änderung ist also möglich. Sie bedarf allerdings eines radikalen politischen Neuanfangs. Das aktuelle Programm ist dafür ein Anzeichen. Ein fundamentaler Ansatz oder eine Lösung ist es freilich noch nicht.

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Johannes Bornewasser sw klein

Johannes Bornewasser ist Herausgeber von Teneriffa News. Er hat zudem die redaktionelle Verantwortung inne. Zu seinem Autorenprofil geht es hier.

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