Sie gilt als die gefährlichste Flucht-Route der Welt. Zuletzt kamen deutlich weniger Menschen über den Seeweg auf die Kanarischen Inseln. Zwischen Januar und Mai sank die Zahl nach Angaben der europäischen Grenzschutzagentur Frontex im Vergleich zum Vorjahr um 35 Prozent. Das spanische Innenministerium nannte mit 35,4 Prozent einen nahezu identischen Wert.
Frontex und das Ministerium stimmen zwar im Trend überein, weichen jedoch bei der exakten Zahl der ankommenden Flüchtlinge und Migranten voneinander ab. Laut Frontex erreichten 11.065 Menschen über diese Route den Archipel, das Ministerium spricht von 10.983 Personen. Die Diskrepanz beeinflusst jedoch nicht die Einschätzung beider Stellen über die Ursachen des Rückgangs. Zudem droht eine Rassismus-Debatte:
Darum geht die Kanaren-Migration zurück
Als zentrale Faktoren für die Entwicklung gelten laut Frontex vor allem verstärkte Maßnahmen in den Herkunftsländern wie Mauretanien sowie eine engere Kooperation der Europäischen Union mit afrikanischen Partnerstaaten. Auch widrige Wetterverhältnisse spielten eine Rolle, da die für die zweite Jahreshälfte typische Windstille derzeit noch ausbleibt, hieß es.
Zudem seien die gemeinsamen spanisch-marokkanischen Patrouillen ein Hauptgrund für die Zerschlagung von Schleusernetzwerken nahe den Kanarischen Inseln. Als Hauptherkunftsländer der Migranten nennt der Bericht Mali, den Senegal und Guinea.
Die aktuelle Entwicklung entlastet die Einrichtungen zur Aufnahme von Geflüchteten hingegen nicht. Laut dem Gewerkschaftsverband CCOO stehe das Personal im Zentrum Las Raíces unter so starkem psychischen Druck, dass die Arbeit dort zunehmend unmöglich werde. Die dort tätige Organisation Accem sei mitverantwortlich für die Missachtung von Arbeitnehmerrechten, kritisierte die Gewerkschaft.
Rassismus-Debatte nach Klage gegen Aufnahmepflicht für minderjährige Migranten
Parallel zu den europäisch-afrikanischen Maßnahmen spitzt sich der politische Streit um die Weiterleitung von minderjährigen Migranten auf das spanische Festland zu. Immer mehr Regionen verweigern sich der von Madrid angestrebten Umverteilung unbegleiteter minderjähriger Migranten. Zuletzt reichten immer mehr konservativ regierte Regionen Verfassungsklage gegen die geplante Gesetzesreform ein.
Das neue Gesetz sieht eine solidarische Verteilung nach Artikel 2 der spanischen Verfassung vor. Die Kritik richtet sich unter anderem gegen eine angeblich nicht ausreichende Finanzausstattung für die Betreuung. Die tatsächlichen Haushaltsmittel dieser Regionen stehen jedoch in keinem Verhältnis zum relativ geringen Mehraufwand.
Der Präsident der Kanarischen Inseln, Fernando Clavijo, warf den boykottierenden Regionen zuletzt rassistische Motive vor: „Weder die eine noch die andere Seite will Schwarze in Spanien“, sagte der Politiker ungewohnt deutlich im Parlament.
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Kanaren-Migration geht deutlich zurück – Rassismus-Debatte in Spanien
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