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Kanaren-Dilemma: Volle Restaurants, keine Kellner

Die Gastronomie der Kanarischen Inseln steckt in einem Dilemma: Die Tische sind voll, doch es fehlt am richtigen Personal.

Von Johannes Bornewasser – letzte Änderung: – Lesedauer: 3 Minuten – 1 Leserkommentare bei Teneriffa News

Ungeachtet der Gegenbewegung bleibt Massentourismus der Wirtschaftsmotor der Kanarischen Inseln schlechthin. In der Folge sind auch die Restaurants, Cafés und Bars des Archipels in der Breite voll wie nie. Doch volle Tische bedeuten noch lange kein gutes Geschäft. Unter anderem, da das richtige Personal fehlt.

Trotz der im Vergleich stark gesunkenen, absolut jedoch weiterhin hohen Arbeitslosenzahlen, herrscht in einem der wichtigsten Sektoren der Kanaren Flaute. Das Problem: Fachkräftemangel.

„Du kannst ja nicht jedem, der gerade keinen Job hat, ein Tablet in die Hand drücken. Es sieht einfach aus, trotzdem ist auch die Gastronomie ein Ausbildungsberuf“, sagt Pedro Rodriguez. Er arbeitet seit Jahren als Kellner auf Teneriffa und weiß: „Jedem ist doch schon einmal schlechter Service auf die Nerven gegangen. Wie kann man dann glauben, jeder könnte diesen Job machen?“ Das führt zu diesen Haupt-Problemen in der Kanaren-Gastronomie:

Kanaren: Kellner leisten Überstunden für wenig Gehalt

Das Hauptproblem des Sektors sind die Löhne im Zusammenspiel mit den Arbeitszeiten. Trotz Mindestlohns und Arbeitnehmerschutz beschweren sich viele Fachkräfte über die Bedingungen. Die Haupt-Kritikpunkte: Überstunden, kaum freie Tage und geteilter Dienst mit kurzen, unbezahlten Pausen über den Tag verteilt.

Die Branche, in der viele Jahrzehnte nicht zuletzt aufgrund des Trinkgelds gut und gern gearbeitet wurde, hat ein Nachwuchsproblem. Denn inzwischen sind die Wege, Geld zu verdienen, einfacher geworden.

Stundenlange körperliche Arbeit, viel Stehen und auch aufgrund des Personalmangels durch Wartezeiten genervte Kundschaft haben den einstigen Traumjob vieler Einwohner der Kanarischen Inseln in der Gunst stark sinken lassen. Heute steht der Kellner-Beruf für zunehmend mehr Einheimische sogar als Synonym des Scheiterns in anderen Berufen. Doch dieses Vorurteil wird dem Job kaum gerecht.

Volle Tische, leere Dienstpläne auf den Kanaren

Die Folge dieser Entwicklung: Ein Dilemma für verbleibende Arbeitnehmende und Arbeitgebende. Denn während ihre Tische aktuell immer voller werden, sind die Dienstpläne zunehmend leerer.

Arbeitgebervertreter plädieren intern, mit freiwilligen Lohnerhöhungen zu agieren und geteilte Schichten zu vermeiden. Was auf den ersten Blick als logischer Ausweg erscheint, sorgt in der Folge für deutlich steigende Preise. Und insbesondere in touristischen Regionen der Kanaren gilt der Preis noch immer als Entscheidungsgrundlage für den Besuch eines Restaurants oder einer Bar.

Kanaren-Gastronomie: Fachkräfte für Niedriglöhne gesucht

Während Mitarbeitende mit hoher sozialer Kompetenz, Einfühlungsvermögen, einem guten Gedächtnis, gepflegtem Auftreten und guter Kenntnis von Speisen und Getränken gesucht werden, liegt der Lohn für all das meist an der unteren Grenze. Das führt zu fehlender gefühlter Wertschätzung. Und das zu Abwanderungen gerade der besonders guten Arbeitnehmenden.

Der Instagram-Account soycamareroo („Ich bin Kellner“) nimmt seine Follower in den Alltag des Berufszweigs mit. Jesús, die Person hinter der Seite, sagt: „Wenn die Situation so ist, dann, weil die Arbeitgeber sie so gemacht haben.“ Der Appell lautet übersetzt: Sorgt für bessere Bedingungen, wenn ihr mehr besseres Personal sucht.

Laut Jesús gebe es ausreichend viele Menschen, die genau ins Raster der Kanaren-Gastronomie passen. Doch die finden an anderen Orten die Möglichkeit, das gleiche Geld für weniger Anstrengung oder für den gleichen Einsatz deutlich mehr Lohn zu erwirtschaften. Oder zumindest mehr Wertschätzung zu erhalten.

Kanaren: „Vereinbarkeit von Beruf und Familie unmöglich“

Der erfahrene Gastronomie-Mitarbeiter sagt: „Fachkräfte bekommen Verträge als Kellnerassistenten mit nur einem freien Tag und geteilten Schichten. Das macht die Vereinbarkeit von Beruf und Familie unmöglich.“

Unterm Strich sieht Jesús zwei Probleme: „Man geht von Ausbeutung der Arbeiter aus und sagt dann: ‚wir finden kein Personal‘. In dieser Branche steckt viel Engagement, aber man kann nicht davon leben.“ Die Kellner hätten „es satt“. Denn auch wenn viele von ihnen ihren Beruf lieben, steht am Ende die Erkenntnis: „Man kann seine Berufung eben nicht essen.“

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Über den Autor

Kanaren-Dilemma: Volle Restaurants, keine Kellner

wurde geschrieben von:

Johannes Bornewasser

Johannes Bornewasser ist Gründer und Herausgeber der Teneriffa News. Er hat zudem die redaktionelle Verantwortung inne. Zum Autorenprofil von Johannes Bornewasser.

Leserkommentare

Leserkommentare zu:

Kanaren-Dilemma: Volle Restaurants, keine Kellner


  1. Marlis Zoschke schrieb am

    Gutes Personal zu finden, ist überall in der Gastronomie ein Problem. Und so einfach wie früher ist es eben nicht mehr. Da fiel es nicht auf, wenn der Kellner schon mal den Daumen in der Suppe hatte, oder in der Küche leckte sich die Köchin den Finger ab, um dann gleich wieder den Salat zu mischen. Jeder Beruf braucht aber ein Ausbildung, ob es immer drei Jahre wie in Deutschland sein müssen, kann ich nicht beurteilen. Aber auch der Unternehmer ist gefragt. Er muss dann dafür sorgen, dass die Auszubildenden ihren Verpflichtungen nachkommen und sich weiterbilden. Doch hier hat die Politik total versagt. Man kann nicht Millionen Touristen ins Land holen und glauben, es erledigt sich alles von allein. Bildung kostet nun mal Geld, und durch die vielen Gäste kommt auch genug auf die Insel. Doch das Geld wird für viele nicht wichtige Baumaßnahmen verschwendet. Jetzt muss auch noch eine Rennstrecke her und die Kanalisation muss warten. Das Meer ist schließlich groß genug. Irgendwann lässt der Touristenboom auch nach. Da im Fernsehen und in Zeitungen auch die vielen negativen Dinge auf den Kanaren zu lesen ist. Und dann? Dann überlegt sich inzwischen so manch einer, seinen Urlaub dort zu nicht mehr zu verbringen.

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