War Tropensturm Hermine ein Einzelfall oder der Auftakt eines dauerhaften Wetterwechsels? Mit dieser Frage beschäftigen sich derzeit internationale Wetterexperten. Einer von ihnen hat dazu eine klare Meinung. Er sagt: Die Kanaren könnten regelmäßiger von den Auswirkungen solcher Wirbelstürme getroffen werden.
Juan Jesús González Alemán gilt als einer der spanienweit führenden Experten im Bereich tropischer Wirbelstürme. Der Doktor der Physik und leitende staatliche Meteorologe beim spanischen Wetteramt Aemet sagt, wissenschaftliche Erkenntnisse würden darauf hindeuten, dass Wetterlagen wie zuletzt bei Tropensturm Hermine bald “häufiger auftreten” werden.
Es könnte sogar sein, dass diese Wetterlagen künftig “näher an die Kanarischen Inseln” heranreichen. Allerdings, das sagt González Alemán dazu, gebe es derzeit “keine Klarheit” darüber.
Der Meteorologe wurde dazu ausgewählt, eine Arbeitsgruppe der Weltorganisation für Meteorologie zu gründen. Die Aufgabe des Arbeitskreises liege darin, diese Art von Wetter-Phänomenen und ihre Beziehung zum Klimawandel zu untersuchen. Dabei solle unter anderem geklärt werden, ob Hermine als Einzelfall zu sehen ist, oder der Anfang einer Serie tropischer Wirbelstürme gewesen sein könnte.
Forscher diskutieren: Werden die Kanaren bald öfter von tropischen Wirbelstürmen getroffen?
Ein Kollege von González Alemán kommt hingegen zu einem anderen Schluss: David Suárez ist der Gesandte des Aemet auf den Kanarischen Inseln. Gemeinsam mit Professor Luis Cana vom Institut für Ozeanographie hat Suárez einen Aufsatz veröffentlicht.
Der Artikel zu Hermine kommt zu dem Schluss, dass es für tropische Wirbelstürme immer schwieriger wird, sich um die Inselgruppe herum zu bilden. Der Grund sei die Windscherung, die einen “Schlüsselfaktor” darstelle. Und diese nehme tendenziell zu, was es Wirbelstürmen erschwere, sich zu bilden.
Juan Jesús González sagte in diesem Zusammenhang zur spanischen Nachrichtenagentur Efe, dass “obwohl es sich um eine zu berücksichtigende Hypothese handelt, noch fünf oder sechs Jahre vergehen können”, bis es verlässlichere Antworten auf die Fragen gebe, die sich nach Hermine ergeben hätten.
“Es handelt sich um ein Thema, das noch eingehend erforscht werden muss”, sagt Juan Jesús González. Dann fährt der Experte fort, dass “die Anzeichen, die Beweise darauf hindeuten, dass sie in Zukunft häufiger auftreten können, dass sie eine bessere Chance haben könnten, unter guten Bedingungen auf den Kanarischen Inseln und auch in den atlantischen Küstengebieten der spanischen Halbinsel anzukommen”.
Erreichen Wirbelstürme bald sogar Europa?
Zwar gebe es laut González keine Studien, die sich auf die Kanarischen Inseln konzentrieren, es könnten jedoch Schlussfolgerungen aus den Modellen gezogen werden, die für das nordatlantische Becken verwendet werden. Und davon weisen laut dem Meteorologen einige auf eine künftig stärkere Aktivität der tropischen Wellen hin.
Es sei möglich, dass es einen stärkeren afrikanischen Monsun gebe, was eine Verlagerung der tropischen Wirbelstürme etwas weiter nach Norden und damit auch eine größere Wahrscheinlichkeit der Annäherung an die Kanarischen Inseln bedeuten würde.
Andere Studienergebnisse könnten hingegen sogar so gelesen werden, dass die atmosphärischen und ozeanischen Bedingungen künftig tropische Wirbelstürme auf ihrem Weg bis nach Europa begünstigen könnten. Obwohl “noch nichts mit Sicherheit gesagt werden kann”, sagt der Forscher, dass Wirbelstürme mit tropischen Eigenschaften in den vergangenen zehn, fünfzehn Jahren “erheblich zugenommen” hätten. Daraus lasse sich ableiten, dass die Bedingungen immer günstiger werden, um die Kanarischen Inseln oder auch die Iberische Halbinsel zu erreichen.
Eine dieser Bedingungen sei die Meerestemperatur, die nach Ansicht des Aemet-Experten im Atlantik ansteigen wird. Hinzu kämen die atmosphärischen Bedingungen, wie Feuchtigkeit, Scherung, Instabilität und atmosphärische Dynamik, als “größere Unsicherheitsfaktoren”.
Meteorologe: “Kanaren haben keinen Schutzschild gegen Wirbelstürme”
González Alemán sagt, Sturm Hermine habe gezeigt, dass die Kanarischen Inseln “keinen Schutzschild haben”. Zwar haben sie im Allgemeinen eher ungünstige Bedingungen für die Entstehung von Tropenstürmen. Dennoch könne es “gelegentlich” vorkommen, dass die Gegebenheiten für einen Wirbelsturm zuträglich seien.
Eine wichtige Frage sei, ob sie zunehmend günstiger werden und ob dies mit dem Klimawandel zusammenhängt. Wenn González Alemán wetten müsse, würde er davon ausgehen, denn im Laufe der Jahre “könnte genau das immer normaler werden”.
Der Forscher sagt, er sei sich der Botschaft seiner Aussage bewusst. Doch Wissenschaftler hätten die Pflicht, “so viele Informationen wie möglich zu liefern”. Eine zu erörternde Frage sei daher, ob Hurrikane der Kategorie 4 oder 5 die Kanarischen Inseln oder das spanische Festland überhaupt erreichen könnten – so wie zuletzt in den Vereinigten Staaten.
Experte: Tropenstürme können den Kanaren künftig näher kommen
Zumindest dieses Szenario sei “sehr unwahrscheinlich”. Dies sei jedoch auch “sekundär”, da bereits Tropenstürme wie Hermine ausreichen, um “besorgniserregende Auswirkungen” zu hinterlassen. Und solche Stürme könnten künftig näher an die Kanaren heranreichen.
“Wir hatten Glück, dass die Regenfälle am Ende nicht so heftig waren, weil der Zyklon nicht so nahe kam. Und trotzdem hatte er bereits eine beachtliche Wirkung”, sagt der Wissenschaftler und fährt fort, dass tropische Wirbelstürme “sehr komplexe Phänomene sind, die eine gründliche Forschung erfordern”. Dies sei nun Aufgabe der Arbeitsgruppe, in der er mit internationalen Experten für Wirbelstürme zusammenarbeitet. Man wolle schnell Erkenntnisse zu Dingen liefern, über die man sich heute “noch nicht im Klaren ist”.
Sehen Sie jetzt:
Neue Fotos und Videos: Tropensturm Hermine sucht die Kanaren heim
Kommentare zu:
Experte: Wirbelstürme rund um die Kanaren können normal werden
Die Kommentar-Funktion steht exklusiv unseren Abonnentinnen und Abonnenten zur Verfügung. Hier finden Sie unsere Angebote. Wenn Sie bereits einen Account haben, können Sie sich hier einloggen.