Am Samstag erreichten 700 weitere Menschen die Küsten der Kanarischen Inseln. Innerhalb von vier Tagen kamen damit 2500 weitere Migranten auf den Kanaren an. Schon zuvor waren diese mit der Situation völlig überfordert. Inmitten dieses Chaos besucht Spaniens Innenminister die Inseln nach heftiger Kritik nun doch.
Nach einem erbitterten öffentlichen Streit mit dem Präsident der Kanarischen Inseln, Fernando Clavijo, trifft Fernando Grande-Marlaska auf einem Zwischenstopp vor Ort ein. Der Innenminister schob den Besuch auf den Kanaren ein, nachdem ohnehin bereits eine Reise nach Mauretanien und in den Senegal geplant war.
Die Situation auf den Kanarischen Inseln ist chaotisch. Und die Regierung hat eine klare Forderung an die spanische Zentralregierung formuliert. Der Wunsch ist unmissverständlich, naheliegend und plausibel. Für Madrid wird es damit schwieriger, die Situation auf dem Archipel zu ignorieren. Denn so lautet die Forderung:
Flüchtlings-Situation: Kanaren fordern klare Zuständigkeiten innerhalb der spanischen Zentralregierung
Die Cayuko-Krise von 2006 gilt auf den Kanaren als historisch und abschreckend. Benannt wurde sie nach den hochseeuntauglichen Booten, mit denen viele der Migranten die lebensgefährliche Überfahrt von Afrika auf die Kanaren wagen.
Damals stellte die spanische Zentralregierung einen verantwortlichen Ansprechpartner ab. Dort liefen alle Fäden zusammen und ein Ausweichen durch Verweise auf andere Ministerien und deren Zuständigkeitsbereiche entfiel. Genau dahinter versteckt sich Spaniens Regierung aktuell. So zumindest lautet der Vorwurf der Verantwortlichen auf den Kanaren.
In der derzeitigen Situation, die auf den Inseln längst mit der Cayuko-Krise verglichen wird, erwarten Clajivo und sein Kabinett erneut einen Ansprechpartner statt der aktuellen sechs Verantwortungsbereiche samt angehängter Ministerien und Berater-Teams.
Kanaren: Migranten schlafen in Polizei-Garagen und Gefängnis-Zellen
Nötig macht das die derzeitige Situation. Denn schon vor den jüngsten Ankünften von rund 2500 neuen Hilfesuchenden waren die Auffang-Stationen überfüllt. Inzwischen müssen immer mehr Menschen unter freiem Himmel schlafen.
Die Polizeistationen im Süden Teneriffas und Gran Canarias haben bereits ihre Garagen geräumt. Während die Dienstfahrzeuge auf der Straße parken, schlafen in den Garagen Migranten auf dem Fußboden.
Sogar in den Gefängniszellen, in denen normalerweise Personen nach ihrer Festnahme weilen bis sie der Justiz übergeben werden, leben nun Flüchtlinge. Sie warten dort auf ihre offizielle Aufnahme in die Flüchtlingslager der Kanarischen Inseln.
Migration: Polizeigewerkschaft prangert Zustände auf den Kanaren an
Inzwischen äußersten sich auch die Polizeigewerkschaften Jupol und SUP ob der Verhältnisse auf den Kanaren kritisch. Clavijo hatte die Überforderung und Unterbesetzung der Einsatzkräfte kritisiert. Spaniens Innenminister holte daraufhin zu einem Rundumschlag aus. Er kritisierte Clavijo für dessen mangelnde Dankbarkeit an die Beamten.
In den Reihen der Polizei wurde der Vorwurf des Ministers als Populismus abgetan. Die Kritik Clavijos hingegen erntete Applaus. Die Gewerkschaften selbst kritisierten zuletzt über ihre Auftritte in Sozialen Medien den Mangel an Ressourcen und ihre hoffnungslose Unterbesetzung für ihre Aufgaben in der aktuellen Situation. Der Adressat: Innenminister Grande-Marlaska.
Gewerkschaft der Polizei fordert Präsenz des spanischen Innenministers
“Eine weitere Welle… Chaos auf Lanzarote und El Hierro. Mangelnde Weitsicht. Personalmangel. Transfers ohne Sicherheitsmaßnahmen, Chaos in Cates und in den Garagen der Polizeistationen. Es werden personelle und materielle Ressourcen benötigt. Der Innenminister ist weder da noch wird er erwartet”, schrieb die Gewerkschaft der Polizei (SUP) am Samstag im sozialen Netzwerk X (ehemals Twitter).
Die Kritik wirkte. Denn Grande-Marlaska schob schließlich einen Vor-Ort-Termin ein und leitete ein Gipfeltreffen mit Vertretern der staatlichen Sicherheitskräfte, der Regierungsdelegation, des Roten Kreuzes sowie mit Gesandten der Ministerien für Verteidigung, Finanzen, Migration und Verkehr. Clavijo übernahm dabei die Interessen-Vertretung der Kanarischen Inseln.
Kanaren-Migration: Das Rote Kreuz schlägt Alarm
Wie dringend Hilfe vom spanischen Festland benötigt wird, zeigt ein Blick auf das Rote Kreuz. Die Notfallhilfe starte bereits einen landesweiten Aufruf, um Freiwillige zu mobilisieren. Ziel sei, dass die Arbeit auf den Kanarischen Inseln auf mehr Schultern verteilt werde. Die dort zuständigen Mitarbeitenden seien hoffnungslos überlastet und ausgelaugt.
José Antonio Rodríguez Verona ist regionaler Leiter der Notfallhilfe des Roten Kreuzes. Er sagte, dass bisher Helfende bei Bedarf zwischen den einzelnen Inseln verschoben worden seien. Doch inzwischen sei die Lage auf allen Inseln so problematisch, dass dies nicht mehr funktioniere. Daher müsse nun auf Kräfte vom Festland zurückgegriffen werden. Eine Situation, von der sich Innenminister Fernando Grande-Marlaska nun vor Ort selbst überzeugen konnte.
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