Nach der Quarantäne für britische Spanien-Reisende wächst der Druck im eigenen Land auf die Regierung von Boris Johnson. 50 Wirtschaftsköpfe haben in einem Brandbrief an die Regierung Alternativen aufgezeigt. Sie sehen die britische Wirtschaft in Gefahr und bitten um ein dringendes treffen. Unterdessen leidet unter anderem die Tourismusbranche der Kanaren.
Plötzlich war sie da, die Quarantäne für britische Spanien-Urlauber. Ohne Vorankündigung hatte die Regierung des konservativen Boris Johnson festgelegt, dass Briten, die aus Spanien zurückkehren, in 14-tägige Quarantäne geschickt werden. Die Maßnahme wirkte wie ein schlechtes Ablenkungsmanöver: Die Bilder überfüllter Strände im eigenen Land inmitten der Corona-Krise noch vor Augen, sollte deutlich gemacht werden, dass die Rückkehr aus anderen Ländern die eigentliche Gefahr sei.
Zweifellos hat Spanien derzeit viele Corona-Ausbrüche. Sogar erstmals seit Ende des Lockdowns wieder mehr als 1000 Neu-Infizierte innerhalb eines Tages. Die meisten dieser Fälle sind jedoch regional einzugrenzen. Punktuelle Reisebeschränkungen, wie beispielsweise Frankreich sie ausgesprochen hatte, wirken derzeit als logisch, eine pauschale Reise Bestrafung des Landes hingegen weniger.
Britische Wirtschaftsexperten greifen Boris Johnson für pauschale Spanien-Quarantäne an
Dieser Argumentation bedienen sich auch die britischen Wirtschafts-Experten: In einem Brand-Brief an den Premierminister schreiben sie, die aktuelle Maßnahme sei der “letzte Schlag” für einen Sektor, der “jetzt Gefahr läuft, dauerhaft beschädigt zu werden”. Auch die fehlende Vorlaufzeit und der kategorische Ausschluss von Luftkorridoren für weniger betroffene Gebiete werden in dem Dokument harsch kritisiert.
“Wir befinden uns in einer Situation, in der die Regierung empfiehlt, nicht in Gebiete Spaniens zu reisen, in denen die Covid-Raten niedriger sind als in Großbritannien”, heißt es in dem Schreiben. Unterzeichnet wurde das Dokument unter anderem von British-Airways-Geschäftsführer Alex Cruz, dem Exekutivdirektor der Airlines UK, Tim Alderslade, und dem Leiter des Londoner Flughafens Heathrow, John Holland-Kaye.
Die Unterzeichner bitten Johnson in dem Schreiben um eine “Dringlichkeitssitzung”, um gemeinsam “die Herausforderungen” zu analysieren, mit denen “unser Sektor” konfrontiert ist. Zudem möchten sie gemeinsam mit der Regierung “Vorschläge für das weitere Vorgehen” erörtern.
Corona: Doppeltest-System Statt Quarantäne?
Einer dieser Wege könnte ein Doppeltest-System sein. Dabei sollen Rückkehrer direkt bei der Ankunft am Flughafen einem ersten Corona-Test unterzogen werden. Fünf bis acht Tage später soll dann ein zweiter Test durchgeführt werden. Auf diese Weise sollen falsche negative Testergebnisse vermieden und gleichzeitig die Dauer der Quarantäne verkürzt werden.
Die für ein solches System notwendige Infrastruktur stehe “in zwei Wochen bereit”, sagte Holland-Kaye. Kosten würden auf die Reisenden abgewälzt. Nach einer ersten Schätzung würden sich diese auf rund 150 Pfund (165 Euro) belaufen. Ein Verstoß gegen die Quarantäne-Bestimmungen wird in Großbritannien derzeit mit bis zu 1000 Pfund (1100 Euro) geahndet. Wobei die Personaldecke ohnehin viel zu gering ist, um die rund 600.000 Spanien-Urlauber, die von der Maßnahme betroffen wären, nach ihrer Rückkehr zu überwachen.
Corona-Maßnahmen in UK: Tourismus-Branche zahlt die Zeche
Das Leid tragen derzeit die britische und die spanische Reisebranche. Daten der TravelgateX-Reiseplattform zeigen einen 70-prozentigen Rückgang bei Buchungen britischer Staatsbürger nach Spanien. Und diese stellen in einigen Regionen des Landes seit vielen Jahren die meisten Urlauber. Besonders hart treffen die Folgen der Maßnahme derzeit die Kanarischen Inseln und die Balearen. Auch dort setzt die Tourismusbranche verstärkt auf Urlauber aus dem vereinigten Königreich.
In der Konsequenz hatten sich auch andere Länder plötzlich bei Buchungen wieder vorsichtiger gezeigt als zuvor. Die spanischen Hoteliers verkauften ihre Dienstleistungen daraufhin günstiger als im Vorjahr. Die ohnehin stark gebeutelte Tourismusbranche des Landes muss also weitere Kompromisse eingehen.
Ausgenommen davon ist allerdings die kanarische Hotellerie. Die Preise dort sind weiterhin stabil. Um sich dem Preisniveau anderer Urlaubsdestinationen anzugleichen, sind viele Preise in den vergangenen Jahren gestiegen. Eine Stagnation ist in diesem Sektor daher ebenfalls als Zugeständnis zu werten.
Corona-Krise beschert Kanaren Reservierungs-Rückgang um 42 Prozent
Insgesamt brachen der spanischen Tourismusbranche verschiedene wichtige Märkte weg. So wurden aus Frankreich oder Belgien deutlich weniger Reservierungen gemeldet. Auch Gäste aus Deutschland sind um einiges zögerlicher, die Reservierungen gingen jedoch nicht ansatzweise ähnlich stark zurück wie in Großbritannien. Dort sieht es umgerechnet auf absolute Zahlen derzeit am schlechtesten aus.
Die meisten Stornierungen aus Großbritannien wurden in Katalonien, auf den Balearen und auf den Kanarischen Inseln verzeichnet. International betrachtet gingen die Reservierungen auf den Kanaren um 42 Prozent zurück. Die Balearen verzeichnen ein Minus von 40 Prozent.
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Quarantäne für Spanien-Urlauber: Kanaren leiden – Druck auf Boris Johnson
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