Das Nationale Statistik-Institut in Spanien schätzt die Wirtschaft Kanaren zu stark ein. Das INE geht seit 2000 von einem viel höheren Bruttoinlandsprodukt (BIP) aus, als es tatsächlich der Fall ist. Und das kostet die Inseln möglicherweise sogar einen Milliarden-Betrag.
Die EU unterstützt Regionen gemessen an ihrem BIP. Die vereinfachte Faustregel lautet: Je niedriger das BIP, desto höher die Beihilfen aus Brüssel. Entsprechend haben die Länder und Regionen Europas kein Interesse daran, vor dem Europa-Haushalt stärker dargestellt zu werden, als nötig.
Im Fall der Kanaren meldet das INE seit dem Jahr 2000 zu hohe Zahlen. Der Grund: Eine fehlerhafte Rechenmethode zur Ermittlung der korrekten Daten. Und so fehlen den Kanarischen Inseln allein aus der Zeit zwischen 2014 und 2020 etwa 840 Millionen Euro EU-Beihilfen – und das, obwohl der Fehler schon seit Jahren bekannt ist.
Kanaren lassen Hunderte Millionen Euro EU-Gelder liegen
José Luis Rivero Ceballos ist Professor für Angewandte Wirtschaftswissenschaften an der Universität La Laguna (ULL) auf Teneriffa. Rivero sagte vor dem parlamentarischen Ausschuss der Kanaren, dass der Archipel vor Europa viel zu stark dargestellt werde, “wovor wir sie übrigens schon seit vielen Jahren gewarnt haben”.
Solche Rechenfehler gehen als “statistische Ungenauigkeiten” ist die Protokolle ein – wären sie für die Kanaren nicht annähernd milliardenschwer. Denn im vorliegenden Fall hätten die Inseln Hunderte Millionen Euro an Beihilfen erhalten müssen.
Kanaren verpassen wohl sogar Milliarden-Betrag der EU
Die Kanarischen Inseln erörtern nun, ob sie gegenüber der Europäischen Union Nachforderungen stellen können. Die regionale Ministerin für Finanzen und Beziehungen zur Europäischen Union, Matilde Asián, sagte, man beschäftige sich mit einer entsprechenden Strategie.
“Die praktischen Folgen in Bezug auf das Defizit und die Verschuldung sind minimal, aber es stimmt, dass es in Bezug auf die europäischen Gelder Auswirkungen geben kann”, gab Asián zu – und ergänzte: Es gehe dabei nur um die Gelder zwischen 2014 und 2020. Werden 2000 bis 2014 und die Jahre 2021 bis 2024 hinzugerechnet, liege die Zahl vermutlich deutlich höher.
Das ist der BIP-Rechenfehler auf den Kanaren
Das Bruttoinlandsprodukt ist eine volkswirtschaftliche Kennzahl. Sie gibt den Gesamtwert der Waren und Dienstleistungen einer Region in einem Wirtschaftsjahr nach Abzug aller Vorleistungen, zuzüglich der indirekten Steuern an. Dieser letzte Teil stellt im Fall der Kanarischen Inseln das Problem dar.
Die Kanaren haben durch die IGIC ihr eigenes Steuersystem. Sie ist das Pendant zur Mehrwertsteuer auf dem Festland. Mit sieben Prozent liegt die IGIC deutlich niedriger. Auf diese Weise wird Spanien der viel geringeren Kaufkraft der Kanarischen Inseln gerecht.
Die Berechnung des Kanaren-BIP wurde jedoch angestellt, ohne deren eigenes Steuersystem zu berücksichtigen. Und so wurde eine Mehrwertsteuer von 21 Prozent angenommen, statt der tatsächlichen sieben Prozent. Das führte zu falschen Daten – zu Ungunsten der Kanarischen Inseln.
Kanaren verpassen wohl Milliarden-Förderungen der EU
Die Wirtschaftswissenschaftler auf den Kanaren kommen zu dem Schluss, dass das BIP auf den Kanarischen Inseln um vier bis fünf Prozent pro Jahr gesenkt werden müsste – mit entsprechenden Förderungs-Konsequenzen. Das INE ignorierte die Hinweise darauf jedoch bisher.
Bei einer Anpassung würden die Kanarischen Inseln zu den weniger entwickelten Regionen Europas gezählt, was deutlich mehr Förderungen zur Folge hätte. Das dreistufige System sieht die Inseln aktuell in der Mitte, die Anpassung würde jedoch zum Fall in die letzte, deutlich stärker unterstützte Kategorie führen.
Ende des Jahres werden die finalen Zahlen vorgelegt. Dann ist auch absehbar, wie viel Geld den Kanarischen Inseln seit dem Jahr 2000 genau verloren gegangen ist. Die Wirtschaftswissenschaftler gehen davon aus, dass dann nicht mehr über Hunderte Millionen, sonder über einen Milliardenbetrag gesprochen wird.
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Rechenfehler: Kanaren verpassen 840 Millionen Euro EU-Hilfen
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